Frühstück ist heute self-service und es gibt eine große Auswahl. Außer mir sitzen noch zwei befreundete Pärchen aus Frankreich am Tisch. Auffallend oft stimmt einer der Franzosen den Refrain von Abbas Dancing Queen an und auf meine Nachfrage erfahre ich, dass seine Freundin vor ein paar Tagen bei einer Airbnb-Übernachtung zu diesem Lied das sich in der Wohnung befindliche Hoverboard ausprobiert hat und dabei nach 3 Minuten so gestürzt ist, dass sie sich den Arm gebrochen hat. Ah ja, dann ist das mit dem Gipsarm in der Schlinge auch geklärt.
Die spannendere Begegnung habe ich mit Raschid und seiner Frau, die ursprünglich aus Bangalore kommen, aber seit ein paar Jahren in Stuttgart leben. Zu manchen Menschen findet man einfach schnell einen Draht und so ist das mit den beiden auch und ich glaube, wir hätten uns noch lange so weiter gut unterhalten können. Und ja, 2000 Leute zur Hochzeit einzuladen ist schon ziemlich cool, aber dann auf den Elefanten zu verzichten … na ja. 😉
Ich werde ab jetzt alle Rehe, Rebhühner und sonstiges Getier unerwähnt lassen, die ich hier so sehe, weil es so viele sind, aber einmal noch: Als ich in den Weg vom Haus zur Straße entlang laufe, steht vor mir keine 5 Meter ein Reh oder Hirsch. Erschreckt sehen wir uns beide gegenseitig an und einigen uns dann darauf, dass ich weiter zu Straße gehe und das Tier links in den Wald verschwindet.
Ab dem Moment, in dem ich den West Highland Way bzw. den Teil davon betrete, der sich die Strecke mit dem John Muir Way teilt, tauchen Trauben von Wanderern und vereinzelte Mountainbiker vor und hinter mir auf. Und die laufen alle in meine Richtung. Der WHW wird eher von Süden nach Norden gelaufen, weil die weniger anspruchsvollen Etappen im flacheren Süden liegen. Zum Glück bin ich mit Rucksack noch deutlich schneller als die ohne. Aber für die allermeisten wird das hier heute die erste Etappe sein – die müssen sich erstmal warmlaufen. Obwohl viele echt lahm sind. Was machen die denn hier? Gemütlich Bummeln? Einen schönen Tag in der Sonne haben? Unverschämt ist das! Ich laufe lieber sehr zügig, um dann leicht verschwitzt, aber dafür viel zu früh in der Glengoyne Distillery anzukommen … wollte ich mit einem Körnchen self-deprecation (wie sagt man denn auf Deutsch?) den unangenehmen Angebertonfall, der gerade aufgekommen ist, etwa selbstironisch brechen. Hatte die Formulierung schon im Kopf, aber jetzt ist es so, dass ich exakt fünf Minuten vor Beginn der Wee Tasting Tour, die ich mich zu machen entschieden habe, in Glengoyne ankomme. Perfekt.
Falls ich mal wieder in Schottland sein sollte, erinnere man mich bitte daran, nicht noch einmal so eine Führung zu machen. Das ist ja durchaus gute Unterhaltung, aber ich kann mich einfach noch zu gut an die drei vorherigen erinnern. Und der Prozess ist ja prinzipiell immer mehr oder weniger der gleiche, auch wenn es hinterher unterschiedlich schmeckt. Auch schon um 11 Uhr vormittags, wenn es nicht anders geht.
Irgendwie scheine ich in so eine Ehrgeiznummer reingeraten zu sein, jedenfalls will ich heute schneller sein als alle anderen und laufe ohne nennenswerte Pausen wiegenden eher als schwankenden Schrittes weiter. Es kommt die Abzweigung, da sich WHW und JMW trennen und nach etwa hundert Metern merke ich das nach einem Blick aufs GPS-Gerät auch, drehe um und folge ab jetzt der stilisierten Distel, dem Symbol des West Highland Ways.
Am frühen Nachmittag erreiche ich Drymen, ein Städtchen, dessen Einwohnerzahl – so schätze ich – sich durch die hier absteigenden Wanderer mindestens verdoppelt. Im Buchanan Arms Hotel gibt es einen Leisure Club mit Pool, Dampfbad und Sauna. Dieses Angebot nutze ich gern und lasse dafür die Fitnessräume heute mal links liegen.
19 km – 107 Hm – 5,0 km/h